KULISSE FÜR FROMME INSZENIERUNG
Ein Heiliges Grab war früher in vielen katholischen Kirchen zu finden. Es zeigt den toten Christus im Grab. Die Darstellung ist meist ganz realistisch und anschaulich – kein Wunder, diente doch das Ensemble dazu, den Tod Christi den Gläubigen ganz plastisch, ja sogar dramatisch während der Gottesdienste der Passionszeit vor Augen zu führen. Ganz barocke Theatralik, sollte es die Menschen erschüttern und ihnen durch die starke Emotion die Botschaft besonders deutlich machen. Mit der Gegenreformation setzte die katholische Kirche zunehmend auf diese direkte Ansprache der Gläubigen: durch die überirdische Schönheit der Kirchenräume oder auch durch solche dramatischen Effekte wie das Heilige Grab. Damit hob sie sich deutlich von der Nüchternheit und Bilderarmut der Protestanten ab.
DIE GRABHÖHLE IM FELS
Das Heilige Grab in Schöntal, eine hölzerne Großskulptur und realistisch farbig gefasst, ist ein großer Fels – so wie auch in den Evangelien das Grab beschrieben ist. Im unteren Bereich öffnet sich eine rechteckige Nische, das eigentliche Grab. Je nach dem Tag von Passion und Ostern, ist diese Grabhöhle leer – oder der tote Christus, angebetet von zwei Engeln, liegt in der Höhlung. Das Skulpturenensemble ist so angelegt, dass es aktiv für fromme Inszenierungen genutzt werden kann. Die Grabnische lässt sich durch eine – hölzerne – Felsplatte verschließen. Damit entsteht eine weitere Station der Passion: der Moment nach der Bestattung Christi und vor seiner Auferstehung.
WANDLUNGSFÄHIGES REQUISIT
Wandlungsfähig ist auch der Aufbau des Grabes: In der oberen Hälfte öffnet sich ein Tabernakel, umgeben von Wolken und Puttenköpfen. Der Tabernakel kann gedreht werden und bietet drei Ansichten. Um den dramatischen Eindruck des Ensembles zu verstärken, hatte das Heilige Grab eine effektvolle Beleuchtung mit Leuchterarmen und Halterungen für Lampen, die sich zum großen Teil erhalten haben. Raffiniert: In den Seitenwänden der Grabnische befinden sich versteckte Nischen für Kerzen, die das dramatische Geschehen wirkungsvoll seitlich beleuchten. Um den Effekt des Kerzenlichts zu erhöhen, sind auf dem Felsen kleine Glassplitter angebracht: Sie reflektieren das flackernde Licht.
AUFWÄNDIGE RESTAURIERUNG
Um 1790 schuf Georg Schäfer das Heilige Grab für das südliche Querhaus der Klosterkirche Schöntal. Man ersetzte damals wahrscheinlich ein früheres Grab aus dem Jahr 1685. Genutzt wurde es bis etwa 1955 für Gottesdienste und Andachten zwischen Gründonnerstag und Ostern. In späteren Jahren verstaute man das unmodern gewordene Gottesdienstrequisit auf einer Empore. Vor etwa zehn Jahren übernahmen die Restauratoren der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg das Schöntaler Heilige Grab in ihre Obhut und holten es in die Werkstatt.
SEIT 2010 WIEDER IN DER KLOSTERKIRCHE
Der Zahn der Zeit hatte für Risse, Abbrüche, morsche Stellen im Holz und gelockerte Verbindungen gesorgt. Das alles kam bei den sorgfältigen Untersuchungen zum Vorschein. Die Restauratoren sicherten und reinigten die Farbfassung und die Holzteile. Und – wichtig war auch, das kostbare Holzbildwerk von den typischen Schädlingen zu befreien. Ein gutes Jahr dauerten die Restaurierungsarbeiten. 2010 schließlich kehrte das Heilige Grab wieder zurück an seinen historischen Ort, die Klosterkirche – und zwar genau passend vor Ostern. Es steht wieder an seinem ursprünglichen Ort im linken Seitenschiff, sicher hinter dem reich geschmückten barocken Chorgitter.
EIN KLOSTER MIT LANGER GESCHICHTE
Das Kloster Schöntal blickt auf eine lange Geschichte: Mitte des 12. Jahrhunderts wurde es von Zisterziensermönchen aus Kloster Maulbronn gegründet. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts geriet die Abtei in eine finanzielle Krise, die sie fast ruinierte. Der Bauernkrieg traf das Kloster 1525 schwer: Mehrfach wurde Schöntal ausgeraubt und zerstört. Die Wirren der Reformation hingegen überstand es unbeschadet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erblühte Schöntal ganz neu: Abt Benedikt Knittel (1650‒1732) führte das Kloster zum heutigen Glanz. Damals entstand auch die barocke Klosterkirche, die mit Fresken, Skulpturen und Altären aus Alabaster reich ausgeschmückt wurde.
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